Der doppelte Felix

Cover des Buches Der doppelte Felix
Cover des Buches Der doppelte Felix
Juli 2020
39
978-3751958189

 

Madeleines Leben ist gerade ein einziges Chaos. Wer hätte gedacht, dass das alles so kompliziert wäre mit den Jungs? Und dann ist da ja auch noch Emily: die beste Freundin, die man sich wünschen kann, aber eben auch total schusselig. Wenn sie mitmischt, weiß bald keiner mehr, was eigentlich los ist, und Madeleine hat keinen Plan, wie sie das jemals entwirren soll.

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Es war Dienstagvormittag, halb zwölf, und viel Lust hatte Madeleine nicht auf die Doppelstunde Deutsch, die vor ihr lag. Madeleine, Fünftklässlerin und von so ziemlich allen, die sie kannten, Maddy genannt, mochte das Fach eigentlich ganz gerne, aber im Moment langweilte der Unterricht sie. Das lag nicht am Thema oder an Frau Kahlmann, der Lehrerin, sondern ganz allein an Madeleine selbst.

 

Nachdem im ersten Halbjahr Grammatik-Themen durchgenommen worden waren, wurde jetzt zum ersten Mal eine Lektüre gelesen und besprochen. Bei der Auswahl hatten die Fünftklässler sogar mitbestimmen dürfen, Frau Kahlmann hatte selbst mehrere Bücher zur Wahl gestellt und war offen gewesen für weitere Vorschläge. Die Bücher waren dann alle kurz vorgestellt worden, und zum Schluss hatte die Klasse abgestimmt. Geworden war es dann In Lebensgefahr! von einer schwedischen Autorin.

 

Madeleine hatte für ein anderes Buch gestimmt, war deswegen aber nicht böse. Sie las viel und vielfältig, und In Lebensgefahr! gefiel ihr gut, sogar besser, als es sich angehört hatte nach der Vorstellung von Patrizia, die das Buch auch vorgeschlagen hatte.

 

Allerdings war das Lesevergnügen für sie nur von kurzer Dauer gewesen. Das Buch war nicht allzu dick, alles, was mehr als 200 Seiten hatte, hatte Frau Kahlmann direkt ausgeschlossen. Anders ging es nicht, denn es gab auch ein paar Lesemuffel in der Klasse, und Patrick und Silvia konnten einfach nicht so schnell lesen. Madeleine dagegen las unheimlich schnell; wenn sie genug Zeit zum Lesen hatte und eine Geschichte sie fesselte, dann waren auch schon mal an einem Tag 150 Seiten weg. Auch die aktuelle Schullektüre hatte sie an zwei Nachmittagen durch gehabt, und inzwischen hatte sie sie noch einmal komplett gelesen. Jetzt war es für sie dann auch gut, Lust, die Geschichte gleich noch ein drittes Mal zu lesen, hatte sie nicht. Außerdem verlor irgendwie jedes Buch seinen Reiz, wenn man es abschnittsweise zerlegen und über Fragen diskutieren musste, die nur einen übereifrigen Deutschlehrer interessieren konnten. Ein bisschen war das eigene Dummheit, musste sie sich eingestehen, zumindest das zweite Mal Lesen hätte sie sich besser verkniffen, aber das war jetzt nicht mehr zu ändern.

 

Heute war das Kapitel an der Reihe, in dem die beiden Protagonisten in die Misere gerieten, aus der wieder rauszukommen sie fast den ganzen Rest des Buchs beschäftigen würde. Die Aufgabe, die Frau Kahlmann den Fünftklässlern dazu stellte, lautete, die Gründe zu analysieren, die zu dieser Misere führten. Auf der einen Seite sollten sie zusammenschreiben, was alles dazu beigetragen hatte, dass die Kinder im Buch so in Not geraten waren. Auf der anderen Seite sollten sie überlegen, was die Kinder anders hätten machen können, um eben nicht in diese Lage zu kommen.

 

Madeleine trug genau zwei Sätze zur Diskussion bei. Mit dem ersten fasste sie zusammen, dass die Kinder im Buch die entscheidenden Sachen nur anders hätten machen können, wenn sie zu dem Zeitpunkt bestimmte Dinge schon gewusst hätten. Beim zweiten Mal antwortete sie auf eine Idee von Alicia, die einfach zu abwegig war.

 

Danach schweiften ihre Gedanken ab, und sie nahm einen Glitzerstift aus ihrem Etui, um das Buch mit ein paar kleine Zeichnungen zu verzieren. Es waren nicht die ersten, und bis die Klasse mit dem Buch fertig war, würde ihr Exemplar wahrscheinlich quietschbunt sein. Wenn sie das Buch wieder hätte zurückgeben müssen, dann hätte es dafür ordentlich Ärger gegeben, aber die Fünftklässler hatten es selbst kaufen müssen, eben damit sie Textstellen markieren und Notizen machen konnten. Ihre Eltern würden nicht schimpfen, solange sie die Seiten nicht so bemalte, dass sie den Text nicht mehr lesen konnte, wenn sie ihn brauchte.